Die weltweite Verbreitung von Covid-19 führt uns die Konsequenzen unserer Lebensweise vor Augen. Im Virus begegnen wir unserem Selbst und unserer Beziehung zur Natur. Aus den Fehlern sollten wir lernen.
Vor dem Hintergrund seiner biologischen Funktionsweise wird nun die kulturelle und soziale Rolle des Coronavirus klar. Es nistet sich in einen Träger ein, nämlich die Menschen, die seit geraumer Zeit den Planeten umgestalten. Diese Transformation des Planeten durch den Menschen wird heute als Anthropozän bezeichnet. Durch die rasante Vermehrung des Virus und seine Weitergabe werden Strukturen und Defizite dieser anthropozänen Welt wie unter einem Brennglas ausgeleuchtet und auf die Probe gestellt.
Das Virus konfrontiert uns mit den Konzequenzen
Das Virus führt uns nun die Konsequenzen einer im Rahmen der großen Beschleunigung exponentiell angestiegenen Mobilität vor Augen, in der Flüge über den Atlantik oder Reisen nach Fernost Teil der beschleunigten ökonomischen Austauschprozesse sind. Es sind genau diese Mobilitätsstrukturen, die zum Transportmittel des Virus werden.
Es sind enorme Geldsummen notwendig, die jede menschliche Vorstellung übersteigen, um kompensatorisch auf die von uns selbst verursachte Problemlage zu reagieren. Die Wissensprozesse der letzten Jahrzehnte wurden vor allem im Hinblick auf ihre technologische Anwendbarkeit und Profitabilität, aber nicht im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen und Sinn hin entwickel. Dabei haben wir in der Vergangenheit Strukturen geschaffen, die unsere Zukunft verbauen.
Gefangen in der Technosphäre
Diese Infrastrukturen werden mehr und mehr digital miteinander vernetzt und entwickeln sich zu einer eigenen Sphäre, der Technosphäre. Die Technosphäre ist äußerst kapitalintensiv und führt zur Akkumulation von ökonomischer Macht…. Diese Strukturen der Technosphäre haben mittlerweile eine solche Komplexität erreicht, dass sie sich der Kontrolle entziehen und unsere Freiheitsräume und damit unsere Zukunft zubauen.
Lauert der Überwachungsstaat?
Erscheint inmitten der Krise die entschlossene staatliche Intervention als Gebot der Stunde, so lauert doch gleichzeitig die Gefahr des Überwachungsstaates, der seine Bürger nicht nur schützt, sondern auch kontrolliert. Dieser Ausnahmezustand könnte zur Regel werden.
Konsumgesellschaft plündert Ressourcen
Für lange Zeit bestand das Versprechen der westlichen Moderne darin, die Freiheit und Autonomie jedes Menschen zu garantieren.
Die Möglichkeit für jeden Einzelnen, zu jeder Jahreszeit alle erdenklichen Produkte kaufen und überall hin reisen zu können, wurde zu einer grundlegenden Antriebskraft der Great Acceleration und damit des Anthropozäns. Die Logiken der Konsumgesellschaft plünderten die Ressourcen des Planeten und brachten ihn an den Rand des Kollapses.
Die Rolle des Virus
Obwohl wir also ein naturwissenschaftliches Wissen über die Langzeitrolle der Viren in unserer Welt haben, blenden wir sie aus unserem Weltverständnis aus… Da wir keine Umgangsweisen für die sogenannten Randbedingungen unserer individuell-konsumptiven Lebensform entwickelt haben, sind wir gezwungen, egal was es kostet, Geld einzusetzen, als Kompensation für ein Lebensmodell ungebremsten, auf Individuen abgestimmten Wachstums.
Corona als Herausforderung
Die Folgen des Klimawandels, die bisher auch als Kollateralschäden des dominanten Weltmodells verbucht wurden, könnten die nächsten Krisen auslösen.
Die Herausforderung der Corona-Pandemie besteht darin, neue Lebensmodelle zu entwickeln. Es muss darum gehen, Praktiken und Denkformen, ja ein neues Alphabet des Lebens und Zusammenlebens zu entwickeln…Diese muss in einem Geben und Nehmen bestehen, in einem Einwirken auf, aber auch Sorge um die Welt, um eine persönliche Entfaltung, die aber die Solidarität mit den anderen miteinbezieht. Es braucht kleine, dezentrale lokale und regionale Einheiten, die für alle Akteure einen gemeinsamen Erfahrungsraum darstellen.
Diese Erfahrungsräume könnten dank digitaler Kommunikationsstrukturen weltweit miteinander vernetzt sein. Allerdings sollte diese Vernetzung nicht durch Plattformen erfolgen, sondern durch Strukturen, die Nutzer unmittelbar in Kontakt bringt, um den dezentralen Charakter der Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Dies sind gekürzte Auszüge aus einem Artikel von Bernd Scherer in der FAZ.net. Für den vollständigen Text klicken Sie auf den Button:
Daher lassen Sie uns „Corona als Chance begreifen“ und uns von untauglichen Vorstellungen lösen, alternative Ansätze wagen und neue Wege gehen.