Datum: 22.08.2023
Zeit: 17:30 - 20:00
Experten UE: 3-3-3
Moderation: Dipl.-Ing. Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin
Referentin*en: Michael Viernickel, eZeit Ingenieure GmbH;
Dipl.-Ing. Marco Schmidt, TU Berlin
Bildungsvortrag
Nachhaltiges Regenwassermanagement – Pflicht oder Verbot von Dachbegrünung? – AkE Online
Grundwasser ist die wichtigste Quelle für unser Trinkwasser. Doch die Trockenheit und der steigende Verbrauch werden zum Problem. Experten rechnen in Zukunft mit Konflikten um die knappe aber lebenswichtige Ressource. 26.07.2023 Tagesschau: Sind die Grundwasserspeicher in Gefahr?
Zur Klimafolgenanpassung sind die aktuellen Bestrebungen zur Dachbegrünung zu hinterfragen: Statt Regenwasser auf Dächern zu verdunsten, wo es kaum zur Entlastung des Stadtklimas beiträgt, sollte es möglichst vollständig aufgefangen, gespeichert und dosiert bodennaher Vegetation oder dem Erdreich zur Grundwasserneubildung zugeführt werden.
Als Alternative zur Dachbegrünung werden „blaue Dächer“ (seichte blauschimmernde Wasserflächen auf Flachdächern) und vollständige Belegung mit Photovoltaik-Thermie-Modulen („PVT“) vorgeschlagen. Die Energiegewinnung wird um 30% gesteigert, die Investition ist nicht höher, Reparaturen leichter möglich.
Unser Referent Michael Viernickel (eZeit Ingenieure) unterzieht die Dachnutzung einer Abwägung hinsichtlich der Zielgrößen Grundwasserneubildung – Energiegewinnung – Wirtschaftlichkeit. Als Gegenthese wird unser Referent Marco Schmidt (BBSR sowie TU Berlin, Gebäudekühlung.de) eine integrale Betrachtung insbesondere hinsichtlich der Zielgröße Klimaanpassung referieren (Regenwassermanagement im Diskurs). Dipl.-Ing. Theresa Keilhacker (URBAN DESIGN . ARCHITEKTUR) Präsidentin der Architektenkammer Berlin moderiert die kontroverse Veranstaltung.
Für Niederschläge, insbesondere bei Starkregenereignissen, stehen im urbanen Raum meistens nicht genug Versickerungsflächen zur Verfügung, so dass eine Zwischenspeicherung und dosierte Ableitung notwendig sind. Dieser Beitrag zur Grundwasserneubildung ist notwendig, um die z.B. im Zentrum Berlins seit mehr als 10 Jahren sinkenden Grundwasserstände auszugleichen.
Da auch für die Regenwasserspeicher der Platz knapp ist, sollte auf den Dächern das maximale Fassungsvermögen realisiert werden. Dachbegrünung erfordert jedoch Substrat, das mindestens 30% des verfügbaren Volumens in Anspruch nimmt, so dass eine Abwägung von Aufwand und Nutzen von Dachbegrünung notwendig ist.
Als Alternative wird aus folgenden Gründen die Ausbildung von „blauen Dächern“ und vollständige Belegung mit Photovoltaik-Thermie-Modulen („PVT“) in flacher „Ost-West“-Aufständerung vorgeschlagen.
Speicherung und Grundwasserneubildung:
Blaue Dächer (mit oder ohne PVT) haben höhere Speicherkapazität als Gründächer, so dass nur noch kleinere Rückhaltespeicher notwendig sind oder gänzlich auf sie verzichtet werden kann, wenn die Versickerungsfläche nicht reicht. Eine Bedeckung bzw. Abschattung mit (kühlen) PVT-Modulen mindert die Verdunstungsverluste zusätzlich, so dass die Grundwasserneubildung begünstigt wird.
Energiegewinnung und Wirkungsgradverbesserung:
Verzicht auf Dachbegrünung ermöglicht ca. 30% größere mit Solaranlagen belegbaren Fläche. Die Kombination der PV-Module mit Wärmenutzung (Thermie) verbessert den Wirkungsgrad von PV-Modulen ganzjährig, während durch Verdunstung aus dem Gründach nur geringere Wirkungsgradverbesserungen bewirkt werden können.
Neben dem gewonnenen Strom kann die aufgenommene Wärme z.B. mit Wärmepumpen zur Trinkwassererwärmung eingesetzt oder geothermisch für den Winter gespeichert werden. Dächer bekommen so einen doppelten Nutzen der Energiegewinnung.
Vegetation bei extensiver und intensiver Dachbegrünung:
Intensive Dachbegrünung sollte wegen des zusätzlichen Wasserbedarfs ohnehin obsolet sein, die Vegetation extensiver Dachbegrünung ist nicht sehr üppig und auch als Lebensraum für Tiere und Insekten nicht sehr attraktiv. Der Nutzen von Vegetation für den Lebensraum ist unstrittig, ob das allerdings auf Dachflächen zu wahrnehmbaren Effekten führt, ist zweifelhaft, bodennahe oder Fassaden-Begrünung mit Sicherheit effektiver. Fassaden-Begrünung sorgt für Verschattung und liefert zusätzliche adiabate Kühlwirkung.
Stadtklima / Kühlwirkung:
Die stadtklimatische Wirkung, durch Evaporation auf der Dachfläche zu einer Kühlung der Stadtatmosphäre beizutragen, ist marginal. Weitaus wirksamer für die Stadtatmosphäre und das Gebäude ist die Abdeckung mit Thermiemodulen, die mit einem kühlen Trägermedium (ca. 10°C) durchströmt werden.
Investitionskosten, Ressourceneinsatz, Wartung, Gewährleistung:
Gründächer haben hohe Investitionskosten, die in der Größenordnung des Mehrpreises von PVT gegenüber PV liegen. Haftungsfragen und Reparaturen sind bei Gründächern problematisch. Undichtigkeiten sind im Gründach nur schwer zu lokalisieren und in der Regel mit aufwändigem (Teil-)Rückbau verbunden. Energie ist das derzeit drängendste Thema und in der vorgestellten Form wäre die Akzeptanz zu steigern, zumal die PVT-Module zusätzlichen Schutz für die Dachhaut darstellen.
Fazit:
Die aktuell geltende Vorschrift von Dachbegrünung muss zugunsten einer zukunftsgewandten, ganzheitlichen Bewertung unterzogen werden und sollte ggfs. durch eine PVT-Pflicht ersetzt werden um maximale solare Energiegewinnung (Strom und Wärme) und größtmögliche Grundwasserneubildung zu ermöglichen.
Selbst wenn aktuell noch keine thermische Nutzung gegeben ist, und der thermische Teil der PVT-Module zunächst nicht verwendet wird, stellt es eine vorsorgende Maßnahme dar, die praktisch später nicht mehr nachrüstbar ist.
Die Vortragsunterlagen von Michael Viernickel und Dipl.-Ing. Marco Schmidt
bleiben zuächst den Mitgliedern vorbehalten.
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