von Peter Schrage-Aden, Mai 2020
Bürgerräte für die Stadt der Zukunft, ein Vorschlag
Der Virus scheint alles auf den Kopf zu stellen. „Nichts wird so sein, wie vorher“, ist ein geflügeltes Wort geworden. Wenn das so ist, dann wird es auch für die Art und Weise gelten, wie wir unsere Städte planen und unsere Häuser ausrichten. In dieser Krise steht plötzlich der Mensch und seine Gesundheit im Mittelpunkt der Politik. Das, was bei der Klimakrise vermisst wird, dass die Politik auf die Wissenschaft hört, und dann handelt, können wir jetzt beispielhaft erleben. Das sollte auch für die anderen großen Zukunftsfragen ein Vorbild werden.
Langjährige Erfahrung
Der Aktionskreis Energie lädt seit 15 Jahren Experten ein, um mit ihnen über die Zukunft des Bauens und Wohnens zu sprechen. Die Ergebnisse haben wir auf unserer Internetseite dokumentiert. Dieser Artikel will aus dem, was wir schon wissen und was sich als Herausforderung abzeichnet, ein paar Antworten generieren.
Fragen zur Lebensqualität
Wie wir Angesichts des Klimawandels leben, wohnen und arbeiten wollen, beschäftigt Architekten und Stadtplaner seit vielen Jahren. Die aktuelle Krise, für die es in der Geschichte nichts Vergleichbares gibt, macht diese Debatte dringlicher. Es geht um elementare Fragen des Zusammenlebens und bestätigt alte Ideen: Städte der Zukunft sollen urban, lebenswert, energiearm, preiswert und vor allem resilient sein. Was bedeutet das im Einzelnen?
und möglichen Lebensräumen
„Die Menschheit zieht um“ lautet der Titel des Berichts des Rates für Nachhaltigkeit, der von Dr. Schulz am 20.1.2017 beim Aktionskreis Energie vorgestellt wurde. Der Umzug findet statt und er wird sich beschleunigen, so der Bericht, der Empfehlungen und Erfahrungen zu seiner Gestaltung liefert. Auf der Habitat III in Quito 2016 wurde eine neue Urbane Agenda verabschiedet und in 30 Sprachen übersetzt. Damit wurde dieses Thema auf die internationale Bühne gehoben.
Klimawandel ist schon spürbar
Welche Auswirkungen der Klimawandel auch in Europa auf das Leben der Menschen in Städten hat, wurde von Professor Kubasch von der FU Berlin auf dem Neujahrsempfang 2014 anhand der Sterberate in Frankreich nach dem heißen Sommer 2012 sehr plastisch vorgestellt und auf Berlin hochgerechnet. Die Senatsverwaltung hat auf diese Herausforderung reagiert, indem sie einen Stadtentwicklungsplan Klima (StEP Klima) erarbeiten ließ. Dieser Plan wurde durch Frau Dr. Stock, die damals dafür verantwortlich zeichnete, an Beispielen beim AK-Energie vorgestellt.
Wie können wir damit umgehen?
Im Wesentlichen geht es dabei um die Zurückhaltung von Regenwasser, um Überschwemmungen und Überlastungen der Klärwerke und Vorfluter (Teltowkanal) zu minimieren und um die Dämpfung von Temperaturspitzen während der Sommermonate, sowohl in den Häusern wie auf den Straßen zu reduzieren. Intensivere Begrünung an Gebäuden, mehr Bäume, Beschattung und Verdunstung sind hierfür die wesentlichen Stichworte. Der StEP Klima wurde inzwischen einmal fortgeschrieben und befindet sich zurzeit in der Evaluierung.
Klimafolgen begegnen
Die Erkenntnisse aus der aktuellen Krise, so mein Vorschlag, sollten dabei aufgenommen werden. Dazu gehören konkrete Maßnahmen im Hinblick auf die Minderung der Aufwärmung durch Sonnenschein durch Gründächer oder helle Dächer (Albedo-Effekt). Leider sind Anstrengungen für mehr Begrünung und dadurch Verschattung im Sommer im praktischen Planung- und im Baugeschehen der Stadt bislang wenig zu erkennen. Ganz zu schweigen von Eingriffen in den Bestand. Dabei gibt es hervorragende Beispiele aus Berlin, wie wir sie bei der Firma Dieringer 2017 ansehen konnten und die uns am Potsdamer Platz mit seinem integrierten Abwasserkonzept vorgeführt wurden. Hier wird das gesamte Regenwasser des Quartiers aufgefangen und vor Ort direkt oder über die Wasserpflanzen verdunstet.
Für Notfälle gerüstet sein
Städte, so Dr. Hermann Ott auf dem Neujahrsempfang 2018, müssen resilienter, widerstandsfähiger, werden. Aber was bedeutet das konkret? Wir hatten dazu Herrn Surma von der Senatsverwaltung für Inneres eingeladen, um den aktuellen Stand bei der Entwicklung der Katastrophen-Leuchttürme vorzustellen.
Notfallinformationsstellen einrichten
Dieses 2012 begonnene Projekt ist außerordentlich vielversprechend und passt gut in die Zeit. Wie die meisten Projekte lief es drei Jahre, danach ist die Fortsetzung offen. Kern des Projektes ist es, eine Stadt widerstandsfähig und handlungsfähig zu machen, wenn die Energieversorgung ausfällt: Dem Blackout. Dafür ist vorgeschlagen, dass jeder Bezirk 4 Leuchttürme bekommt, also Gebäude, die im Krisenfall mit Not-Strom versorgt sind, die sichere Kommunikationsstrukturen bieten, auch wenn die großen Netze ausfallen, und die Anlaufstellen für jegliche Art von Hilfe sind. Dazu gehört auch, dass ein Kat-Leuchtturm mit Sanitäreinrichtungen ausgestattet ist, die auch ohne Wasser funktionieren. Der Härtetest für das Projekt war dann der Blackout in Köpenick im Februar 2019.
Aus den aktuellen Erfahrungen lernen
Leider oder typischerweise ist dieses Projekt bislang nicht in die Umsetzungsphase gekommen, von einzelnen wichtigen Maßnahmen wie der sicheren Betankung von Notstromanlagen im Krisenfall abgesehen. Soweit mir bekannt ist bislang nicht sichergestellt, dass es dafür die entsprechenden Fördermittel gibt. Das Beispiel der Katleuchttürme zeigt exemplarisch, dass wir erst dann bereit sind zu lernen, wenn eine Katastrophe eingetreten ist, und, wenn es Menschen gibt, die dafür sorgen, dass die Erfahrungen nicht wieder verloren gehen. Anzuregen wäre, dass bei jedem größeren Bauvorhaben und vor allem bei Schulbauten geprüft wird, ob es im Rahmen von Kat-Leuchtturm eine Funktion übernehmen kann.
Die nächste Herausforderung kommt bestimmt
Die Corona- Krise scheint ganz anders gelagert zu sein als ein Blackout oder ein Vulkanausbruch. Wir haben Strom, wir haben Wärme, die Transportmittel funktionieren. Wir haben einen Virus, der uns zwingt, zu Hause zu sein und uns vor den Nachbarn zu schützen. Dieser Virus kann aber schnell die systemrelevanten Strukturen schwächen, man stelle sich nur vor, die Leitwarte bei Vattenfall fällt aus. Wir stellen gerade fest, dass wir genauso unvorbereitet in dieser Krise geraten, wie zum Beispiel Argentinien vor 2 Jahren in einen lang andauernden Blackout geraten ist.
Daseinsvorsorge
Vorbeugende Maßnahmen, welcher Art auch immer, sind nur schwer wirtschaftlich dazustellen. Sie sind in Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Regel nicht als Aktivposten enthalten, sondern bestenfalls als Kosten durch „Auflagen von…“ oder Versicherungskosten für…“. Aber, sie gehören zur Daseinsvorsorge, wie Energie, Wasser, Kommunikation, Abfallentsorgung und viele andere Dienste, die heute als selbstverständlich erscheinen, es aber nicht sind.
Rückfallebenen etablieren
Es lohnt, in die Geschichte Westberlin zu schauen und zu sehen, wie sich damals die Verwaltungen auf mögliche Katastrophen vorbereitet hatten. Es gab eine Senatsreserve an lebensnotwendigen Materialien zu denen auch Schutzausrüstungen gehörten, es gab einen Energiespeicher in Steglitz, der dafür ausgelegt war, Die Frequenz auf 50 Hz zu stabilisieren und bei Ausfall von Stromerzeugungsanlagen schnell eine hochwertige Versorgung sicherzustellen. (elektronische Geräte reagieren empfindlich auf Frequenzschwankungen, in ärmeren Ländern ein zusätzliches hohes Risiko) Sowohl die Senatsreserve wie dieser Energiespeicher wurden nach 1990 aufgelöst, weil das Krisenszenario Krieg und Blockade nicht mehr in die wahrgenommene Realität passte.
Schlussfolgerungen aus der Corona Krise:
Wir dürfen für einige Zeit das Stadtgebiet (und das Umland) nicht verlassen. Ältere Personen voraussichtlich länger. Erholung, Urlaub, Entspannung außerhalb diesen Gebiet fallen aus. Plötzlich bekommen Schrebergärten, schattige Straßen, zum Verweilen einladende und saubere Plätze, bequeme Bänke und andere Möglichkeiten der Entspannung deutlich größere Bedeutung. Auch wenn schrittweise z.B. Spielplätze und Sportanlagen wieder geöffnet werden, werden dieses nicht mit der gleichen Dichte wie vorher genutzt werden können.
Dezentrale Versorgung
Der Anbau von Lebensmitteln in der Stadt und dem Umland wird einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Nicht nur aus ökologischen Gründen und für die Eigenversorgung, sondern auch für die sinnhafte Betätigung im Freien und für die gesunde Ernährung. Die Frage, ob es richtig ist, Gärten für das dringlich benötigte Bauland zu opfern muss neu gestellt werden. Ich erinnere nur an den Streit um die Gartenanlage Oeynhausen in Wilmersdorf oder das Tempelhofer Feld. Das, was im oben erwähnten StEP Klima beschrieben ist, bekommt angesichts des Sommers, der wieder genauso warm werden wird wie der letzte, und den wir voraussichtlich in der Stadt verbringen werden, eine ganz andere und dramatische Bedeutung.
Rechtlichen Rahmen schaffen
Ich denke dabei an die vielen Familien, die in schlecht gedämmten Wohnungen unter dem Dach wohnen und dort bei voraussichtlich mehr als 28 Grad im Sommer klimatische Bedingungen haben werden, die jenseits dessen liegen, die von der Medizin empfohlen werden. Eine Orientierung bieten die Technischen Regeln für Arbeitsstätten. Sie besagen, dass die Raumtemperatur am Arbeitsplatz 26 Grad Celsius nicht übersteigen sollte und, dass ab 32° Außentemperatur die Innentemperatur um 6 Grad niedriger liegen soll. Solche Regelungen sind aber noch nicht im Wohnrecht verankert, was schnellstens nachgeholt werden sollte.
Geeignete Maßnahmen umsetzen
Das ist umso ärgerlicher, als die Energieeinspar-VO klare Regelungen für die Dämmung der oberen Geschossdecke aufweist. Auch für den Bestand. Aber leider wurden diese Bestimmungen von einer zaghaften Regierung nicht umgesetzt. Die EnEV ist, wie der Name schon verrät, in erster Linie für die Verminderung von Energieverlusten da. Ihre korrekte Anwendung bedeutet aber auch einen sommerlichen Wärmeschutz. Vielleicht entfaltet diese Krise auch hier mehr Mut zum Handeln. Man kann getrost sagen: hätte Berlin die seit 10 Jahren vorliegenden Regelungen zur Dämmung der obersten Geschossdecke umgesetzt, würden in diesem Sommer einige 10.000 Bürger weniger schwitzen und viele Hitzeopfer würden vermieden.
Lebensqualität steigern
Die Dämmung von Dächern, deren Begrünung, Verschattung oder Einfärbung bekommt damit einen ganz anderen Stellenwert. Wir werden uns mehr und länger in der Stadt aufhalten. Die Verweilqualität von Plätzen und Straßen bekommt damit nicht nur für Menschen, die sich einen Urlaub nicht leisten können, sondern für die gesamte Stadtbevölkerung einen größeren Stellenwert. Die Corona-Krise wirkt hier als große Gleichmacherin.
Bewertungsgrundlagen anpassen
2015 hatte Dr. Ute Scheub beim Aktionskreis aus ihrem Buch über Glücksökonomie gelesen, wie Glück definiert wird und wie durch bestimmte stadtsoziologische und sozialpolitische Maßnahmen Glück gesteigert werden kann. Die Frage, ob man Glück bauen kann wurde am Beispiel der Siedlung, in der Ute Scheub einen Verein ins Leben gerufen hat, der sich Papageiensiedlung e.V. nennt, beantwortet. Leider, so meine Wahrnehmung, ist diese Form des städtebaulichen Gestaltens selten nachgebaut worden. Selbst in unmittelbarer Umgebung dieser Siedlung findet man die üblichen langweilige Stadtvillen, die nicht zum Verweilen und Kommunizieren einladen.
Aus Erfahrungen
Es wäre vielleicht ratsam, anhand der Siedlungen der 20er Jahre, zu denen das Kulturamt Steglitz Zehlendorf eine exzellente Ausstellung generiert hat, diese Debatte jetzt, angesichts dieser kollektiven Erfahrungen aufzunehmen. Der Aktionskreis Energie hat dem Kulturamt dazu einen konkreten Vorschlag gemacht.
und Krisen lernen
Auch bezüglich des Verkehrs scheint die Corona-Krise deutliche Fingerzeige zu geben, wohin die Entwicklung gehen könnte. Selbst Städte wie Bogota, in denen der Fahrradverkehr bislang keinen besonderen Stellenwert hatte, machen es vor. Dort sollen Fahrzeugspuren für den Pkw Verkehr gesperrt und für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr freigegeben werden, weil sich Menschen in dieser Zeit der Distancia social anders bewegen und vor allem sich auch bewegen sollen. Was spricht dagegen, dass man eine Avus – Spur oder die Straße des 17 Juni sperrt wie bei der jährlichen Fahrradsternfahrt, um den Menschen Bewegungsflächen zu schaffen?
Anforderungen formulieren
Unser geschätzter Referent Dr. Burkhard Schulze Darup hat in einer umfangreichen Studie, die er mit Partnern 2018 durchführte aufgezeigt, was Siedlungen, die den Ansprüchen des Klimawandels genügen, leisten müssen und Kosten dürfen. 1992 wurden in Berlin eine Reihe von Siedlungen subventioniert, die aufzeigen sollen, wie zukünftig gebaut und gewohnt werden kann. Diese Siedlungen sind bislang nur ungenügend evaluiert worden. Insbesondere ist nicht untersucht, ob die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die seinerzeit mit Steuergeldern finanziert wurden, auch das erbracht haben, was man sich von ihnen versprochen hatte.
Lösungen suchen
Das Thema Vario Häuser, also Häuser mit variablen, den sich verändernden Bedürfnissen anpassenden Wohnflächen, haben wir im Aktionskreis vorgestellt und mit Führungen sichtbar gemacht. Hier entfaltet der Holzrahmenbau seine besonderen Qualitäten, weil es bei dieser Bauweise einfacher ist, Wände beweglich zu gestalten, ohne den Schallschutz zu unterlaufen.
Antworten finden
Die Berliner Mischung gewinnt wieder eine größere Bedeutung, die wir an verschiedenen Beispiele vorgestellt haben. Kurze Wege, Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten sind sowohl aus ökologischen wie urbanen Gründen wünschenswert. Der große Stadtplaner Gehl aus Kopenhagen hat dazu in seinem im wahrsten Sinne wegweisenden Buch „Städte für Menschen“ nachahmenswerte Beispiele zusammengestellt, die geeignet sind, die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu erhöhen. Dazu gehört auch die Verbindung von Wohnen und Arbeiten.
Erfahrungen verfügbar machen
Es wäre anzuregen, dass es In absehbarer Zeit zu einer Gesamtschau dieser Erfahrungen der letzten 25 Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Bauens der 20er Jahre in Form einer Bauausstellung kommt. Ein zentraler Punkt dabei sollte die Verträglichkeit verschiedene Wohnformen und Wohnen und Arbeiten im Hinblick auf die Emissionen sein.
Rahmenbedingungen schaffen
Hier gibt es einen deutlichen Beratungs- und Regulierungsbedarf, der insbesondere auf die Einhaltung von Lärmwerten abzielt. Zwar wurde im Baugesetz eine neue Gebietsausweisung, urbanes Gebiet, aufgenommen, die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen sind aber bislang nicht abschließend geklärt.
Integrale Planung
Insbesondere beim Thema Lüftung und Fensterbau. In einem urbanen Gebiet muss es möglich sein, bei geschlossenem Fenster zu schlafen, was voraussetzt, dass eine ausreichende Luftzuführung durch schallisolierte Elemente welcher Art auch immer gewährleistet ist. Stichwort ist hier das Hamburger Fenster, das entwickelt wurde, um Wohnen im Hafengebiet überhaupt zu ermöglichen, beziehungsweise Gewerbeflächen in Wohneinheiten umzuwandeln. Solche Maßnahmen sind mit überschaubarem finanziellem Aufwand realisierbar, aber sie müssen in die integrale Planung von Neubauten und Sanierungen einbezogen werden und zwar vom ersten Augenblick an, wie wir es in mehreren Vorträgen u.a. durch Dr. Günter Löhnert vorgestellt haben.
Leben in der Stadt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass uns die aktuelle Krise noch einmal verdeutlicht hat, dass die Stadt und noch mehr der Kiez Lebensqualitäten aufweisen sollte, die einen erholsamen Aufenthalt im Umkreis der eigenen Wohnung ermöglicht. Für Alt und Jung. Das setzt voraus, dass die Stadtplanung angstfreie Bewegungsräume schafft. Möglicherweise zu Lasten des individuellen Verkehrs. Stadtnahe beziehungsweise kieznahe Erholungsflächen bekommen eine noch größere Bedeutung. Das ist nicht wirklich neu, der Mangel solcher Flächen und Einrichtung zeigt sich aber jetzt besonders stark.
Bedürfnisse leben und
Um ein Beispiel zu nennen: Seit Jahren gibt es einen Rechtsstreit um den Weinausschank am Rüdesheimer Platz. Nachbarn beklagen sich wegen Lärmbelästigung. Demgegenüber steht eine große Zahl von Menschen, die sich dort treffen, miteinander kommunizieren und es sich schlicht gut gehen lassen. In dieser Abwägung neigt die Rechtsprechung zurzeit dazu, den sich gestört fühlenden Anwohnern recht zu geben. Hier bedarf es möglicherweise einer flexibleren Abgrenzung von Interessen und eine andere Form der Schlichtung, wie sie vor 20 Jahren z.B. in Neuseeland eingeführt wurde.
Rücksicht nehmen
Ein anderes Beispiel ist die aus meiner Sicht unsinnige und opportunistische Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses, die Öffnungszeiten zu lockern, was dazu geführt hat, dass Lebensmittelgeschäfte 24 Stunden Jugendliche mit Alkohol versorgen. Das Argument war, dass die Touristen gerne auch nachts einkaufen. Diese Entscheidung des damaligen rot-roten Senats hat zu erheblichen Verwerfungen, Störungen und Unfrieden geführt. In der Abwägung, ob am Rüdesheimer Platz statt bis 22:00 Uhr vielleicht bis 23:00 Uhr ausgeschenkt werden darf oder ob der Edeka in der Berliner Straße 24 Stunden aufhat, bedarf es vielleicht anderer Entscheidungsparameter.
für ein entspanntes Zusammenleben
Für den Städtebau bedeutet das, Plätze zu schaffen, an denen Menschen sich treffen, miteinander kommunizieren und feiern können, ohne, dass die Bewohner über die Gebühr gestört werden. Das ist auch mit baulichen und technischen Maßnahmen möglich. Hier würde ich mir eine Berliner Strategie des gemeinsamen Lebens im Kiez vorstellen, bei deren Verarbeitung die Clubkommission, die sich um einen Ausgleich von Clubinteressen und Öffentlichkeit bemüht, sicherlich hilfreiche Anregungen geben kann.
auch in größeren Zusammenhängen
Neue Formen der Demokratie wurden schon angesprochen. Wir hatten sie beim AK-Energie verschiedentlich vorgestellt. Die Ideen von „Mehr Demokratie e.V.“, Bürgerräte zu installieren, in denen repräsentativ ausgewählte BürgerInnen über Zukunftsfragen beraten, wurden jüngst von Robert Habeck aufgegriffen. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf hat in der Vergangenheit mit ähnlichen Formaten in Form von Zukunftskongressen experimentiert. Wir sollten die Krise nutzen, auch für die Gestaltung unsere bebaute Umwelt neue Formen zu finden und sie dann für verbindlich zu erklären.
Wir bleiben dran
Diese Zusammenfassung von Gedanken, die sich in den vergangenen 15 Jahren beim Aktionskreis Energie angesammelt haben, ist der Natur der Sache geschuldet nicht vollständig. Über Anregungen und Ergänzungen freue ich mich
Ihr
Peter Schrage-Aden