Von Albert Bates und Kathleen Draper
2021 Oekom-Verlag
Der Fachverband Pflanzenkohle e.V. hat ein exzellentes Buch vorgelegt, die Übersetzung von „Burn Using Fire to cool the Earth“ unter dem deutschen Titel „cool down“. Es geht mal wieder um die Pflanzenkohle auch als Terra Preta bekannt. Ich selber war 5 Jahre bis 2015 im Beirat des Terraboga Projektes der FU Berlin, in dem die Wirksamkeit von Terra Preta auf das Pflanzenwachstum und die Bodenfruchtbarkeit erforscht wird und bin erstaunt, was sich auf diesem Sektor getan hat.
Pyrolyse statt verbrennen
Das Buch, um es vorwegzunehmen, ist eine schallende Ohrfeige für das, was Vattenfall in Berlin macht und was Hamburg grade vorbereitet. Vattenfall verbrennt im großen Stil im Heizwerk Mitte Holz aus Kurzumtriebsplantagen in Polen zur Strom- und Wärmeerzeugung für Berlin. In Hamburg will man pelletiertes Buschholz aus Namibia verbrennen. In beiden Projekten ist völlig ausgeblendet worden, dass man Holz in einem ersten Schritt in Holzkohle beziehungsweise Pflanzenkohle umwandeln kann und die Abwärme für weitere Prozesse nutzt. Das nennt man Pyrolyse, eine Verbrennung ohne Sauerstoff, bei der Kohle mit feinkörnigen Strukturen und großer Oberfläche entstehen und ca. 60 % Abwärme. Diese Pflanzenkohle kann deutlich zur Bodenverbesserung beitragen und gleichzeitig Kohlenstoff langfristig im Boden speichern statt ihn in Verbindung mit Sauerstoff als CO2 in die Atmosphäre zu blasen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Der Bedarf an Pflanzenkohle ist gewaltig. In dem Buch von Bates und Draper wird ausführlich und mit Modellrechnungen hinterlegt aufgelistet, wo Holzkohle genutzt werden kann. Interessant ist ihre Beschreibung der alten Holzchemie, die erst vor hundert Jahren durch die Petrochemie verdrängt wurde. Sie beschreiben den Einsatz von Holzessig am Beispiel Nordamerikas und seiner Renaissance. Als Dünger, als Pestizid, und bei anderen Anwendungen im Haushalt.
Anwendungen in China
Spannend ist der Bericht aus Nanjing in China. Dort verwandelt ein mittelgroßer kontinuierlich laufender Drehrohrofen Reisspelzen in Pflanzenkohle und erzeugt dabei elektrischen Strom mit einer Leistung von 1,5 Megawatt, die einem nahe gelegenen Dorf zugutekommt. Diese Anlage verschwendet nichts, das entstehende Gas wird aufgefangen und kondensiert, der Holzessig daraus destilliert und anschließend als organisches Pestizid und Holzschutzmittel verkauft. Der Ofenprozess ist hochflexibel und kann mal mehr oder weniger Pflanzenkohle produzieren.
Biomasse zu Biokohle
Spannend ist die Beschreibung des Einsatzes von Pflanzenkohle als Wärmedämmung. Ebenso seine Nutzung bei der Renaissance von Niederwäldern, die früher die Energiebasis für die beginnende Industrialisierung waren. Auch auf die Karbonisierung invasiver Arten gehen sie ausführlich ein. Allein in den USA werden jährlich 120 Milliarden US Dollar dafür ausgegeben, invasive Arten wieder aus dem Ökosystem zu entnehmen. Diese Biomasse kann sehr gut zur Herstellung von Pflanzenkohle verwendet werden, so wie sie auch jetzt schon teilweise für die Herstellung von Holzkohle Verwendung findet.
Anwendungen in Namibia
Dazu passt die neueste Ausgabe der exzellenten Zeitschrift Welt-Sichten 4-2021 mit dem Schwerpunkt „abholzen, abbrennen, absperren“. Ausführlich wird über das Projekt berichtet, Namibias Busch in Hamburg zu verheizen. Das Problem ist ein reales. Die Savannen Namibias werden von Büschen überwuchert, vor allem Schwarzdornakazien, die Verbuschung hat weitreichende Folgen. Die landwirtschaftliche Produktivität leidet, denn die Rinder finden nichts mehr zu fressen, sie ziehen sich zurück und die Fläche wird zu Ödland. Die Büsche entziehen zudem dem Boden über ihre weitläufigen Wurzeln viel Wasser wodurch der Grundwasserspiegel sinkt. Hier soll ein Projekt der GIZ helfen, auf 45 Millionen Hektar jedes Jahr mindestens 14 Millionen Tonnen Busch-Biomasse zu produzieren. Davon könnten, so hieß es, nur 3 – 4 Millionen Tonnen im Land verwendet werden. Der Rest soll in Pellets exportiert werden. Auf dem Hintergrund des Buches, das ich hier bespreche, stellt sich die Frage, warum nicht z.B. Pflanzenkohle produziert und dann die Abwärme vor Ort für industrielle Prozesse genutzt wird. Glaubt man den Zahlenbeispielen aus dem Buch, so gibt es dafür weltweit einen gewaltigen Markt.
Absatz über Aerogele
Spannend ist der Absatz über Aerogele. Diese leichten Stoffe werden zum Beispiel bei Hochleistungsdämmstoffen eingesetzt, die nur noch 2 – 5 Zentimeter auftragen und die gleiche Dämmwirkung haben wie eine 16 cm Dämmung aus herkömmlichen Dämmmaterialien. Zurzeit sind diese Materialien noch recht teuer. Hier bietet sich aber ein gewaltiger Markt unter anderem in der jetzt anrollenden „Renovierungswelle“ der Europäischen Union. Bei der Dämmung von Gründerzeit-Häusern mit ihren gegliederten Fassaden lassen sich nur sehr dünne Dämmschichten aufbringen, will man das Erscheinungsbild wahren.
„Manchmal ist eine Generation dazu berufen, großes zu vollbringen. Ihr könnt diese Generation sein.“
Ich hätte nicht damit gerechnet, das eine solche Fülle von Anwendungen von Pflanzenkohle jenseits der klassischen Bodenverbesserung und der Substitution von anderen Bodenverbessern aufgefächert würde. „Manchmal ist eine Generation dazu berufen, großes zu vollbringen. Ihr könnt diese Generation sein.“ Dieser Satz von Nelson Mandela wird dem 18. Kapitel vorangestellt. Hier wird beschrieben, wie in Costa Rica in größerem Umfang vom Volk der Bribri, die ich Gelegenheit hatte vor 10 Jahren zu besuchen, Holzkohle eingesetzt wird. Unter anderem in Holzvergaser zum Kochen für den Hausgebrauch, die deutlich weniger Feinstaub und Kohlenmonoxid abgeben.
Eleanor Ostrom bringt die Almende wieder in den Fokus der Wirtschaftswissenschaften.
Der Bogen dieses beeindruckenden Fachbuches wird weit gespannt. Ein Abschnitt wird Eleanor Ostrom gewidmet, der bislang einzigen Frau, die den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Ostrom zeigte, dass sich Menschen spontan selbst organisieren können und das auch tatsächlich tun, um Ressourcen nachhaltig zu verwalten. Dazu stellte sie über 50 Jahre viele Forschungen und Exkursionen an und brachte die Almende wieder in den Fokus der Wirtschaftswissenschaften. Eine Schwäche des Buches ist vielleicht, dass sie zu wenig auf den Stand der Technik bei der Entwicklung von schadstoffarmen Pyrolyseanlagen eingehen. Aber das würde den Rahmen der 350 Seiten auch sprengen.
Weitere Infos beim Fachverband Pflanzenkohle e.V.
Für eine neue Auflage würde ich mir eine aktualisierte Linksammlung wünschen. Diese Neuauflage wäre auch vielleicht deswegen sinnvoll, weil die Freigabe vieler neuer Biomassen als Ausgangsmaterial für Pflanzenkohle 2021 durch die EU erfolgen soll. Das Buch kann darauf nicht weiter eingehen. Deswegen verweise ich mit Freude auf die Internetseite des Herausgebers: Fachverband Pflanzenkohle e.V.
Empfehlung für Berlin
Eine Empfehlung an meine Heimatstadt Berlin wäre: Führt eure verschiedene Forschungsprojekte an dieser Stelle zusammen. Berlin ist dabei, die Kreislaufwirtschaft konsequent umzusetzen, es fördert mit EU-Mitteln seit jetzt 10 Jahren das Terraboga Projekt, aber gleichzeitig wird die Verbrennung von Holz in Heizkraftwerken als Beitrag zur Klimabilanzierung Berlins gefeiert. Hier bedarf es einer konstruktiven Zusammenarbeit, wie es aus dem Umfeld der Umweltbewegung schon seit mehr als 20 Jahren gefordert wird. Ich rege an, dass dieses ein Baustein in der neuen Koalitionsverhandlung des Landes Berlin wird. Wie im Buch richtig verwiesen, haben wir 5 – 10 Jahre Zeit, die Wende hinzubekommen. Hier gibt es eine Vielzahl von Anregungen und Fingerzeige, wie dieses durch Kaskadennutzung von Rohstoffen erfolgen kann. „Vermeiden, verwerten, verbrennen“ ist der Grundsatz des Abfallwirtschaftsgesetzes. Wie dieses bei der Biomasse erfolgen kann, wird in diesem Buch anschaulich vorgestellt.
Peter Schrage-Aden, 11.4.2021
Der Aktionskreis Energie hat das TerraBoGa-Projekt mehrfach vorgestellt. Siehe
Mehr unter https://fachverbandpflanzenkohle.org/