Die Taxonomie von Atom und Gas lenkt von den eigentlichen Aufgaben ab
Natürlich ist es falsch, Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Hier ist die EU-Kommission dem Druck aus der Atomlobby gewichen. Die Einstufung wird aber nicht dazu beitragen, dass neue Reaktoren gebaut werden.
Ein paar Eckdaten: Atomstrom ist mit 65 €/MWh deutlich teurer als regenerativ erzeugter Strom. Den gibt es für ca. 40 €/MWh. In Ungarn wurde jetzt ein Windpark vergeben, bei dem sich der Bieter eine preisindexierte Einspeisevergütung in Höhe von umgerechnet 4,5 Eurocent über 15 Jahre gesichert hat. Die IEA-Experten erwarten bis 2030, dass regenerative Erzeugung die Hälfte des Atomstroms kosten wird. „Nur wenn die öffentliche Hand für die Gewinne garantiert und für mögliche Schäden haftet, wird noch gebaut“, schrieb Harald Schumann zu Silvester im Tagesspiegel und ergänzt: „Die führenden Kapitalverwalter mit zusammen 40 Billionen € Anlagesumme erklärten, es würde nur „die Bemühungen der Investitionen frustrieren, die Dekarbonisierung vorantreiben“. Dazu kommt die Abhängigkeit vom Rohstoff Uran. Das Erdgas kommt zum großen Teil aus Russland und wird unter bekannten klimaschädlichen Bedingungen (Methanschlupf) gewonnen. Was nicht so bekannt ist, ist dass 40 % des weltweit verwendeten Urans aus Kasachstan kommen, und sich 46% der Uranaufbereitungskapazitäten in Russland befinden.
„Die “konventionellen” Uran-Ressourcen reichen noch ca. 100 Jahre, um die heutige Menge an AKW zu befeuern. Für eine Ausweitung der AKW-Flotte zum Klimaschutz müsste die Schnelle Brüter-Technologie mindestens funktionieren und in Massen kommerziell verfügbar sein, was sie nicht ist. Im Gegenteil wurde vor kurzem das internationale Bauprogramm dafür gestoppt. In Frankreich sollte ein Forschungsreaktor mit dem schönen Namen “ASTRID” gebaut werden. Das Projekt wurde gecancelt. Australien verfügt über die größten Lagerstätten, allerdings handelt es sich weitgehend um “unkonventionelles” extrem gering konzentriertes Uranerz.
„Summarisch kann man festhalten, dass die ganze neue Welle an AKW-Bauten gute Lobbyarbeit ist, aber ökonomischer, politischer und ökologischer Unsinn“, schrieb Astrid Schneider, Mitautorin des Buches Störfall Atomkraft https://www.stoerfall-atomkraft.de/site/das-buch/, in einem Debattenbeitrag im Internet am 31.12.21.
Verweisen möchte ich auch auf die Interviews, die anlässlich der Reaktorkatastrophe in Japan und der Herausgabe des Buches seinerzeit erschienen.
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-710804.html
Dass 20,2% des an europäische AKW gelieferten Urans aus Russland kommen soll, ist “Schönrechnerei” der ESA, um den Supplychain diversifiziert darzustellen. Russland verbraucht in etwa genauso viel Uran selbst, wie es an die EU liefert. De fakto kommen 40% des an die EU gelieferten Urans auch aus Kasachstan.
Zusammenfassend kann man feststellen:
Neben den bekannten Gefahren der Atomenergie und der ungeklärten Entsorgungsfrage ist sie teuer, der Bau neuer Reaktoren dauert 10 und mehr Jahre, die Kosten der im Bau befindlichen Reaktoren haben sich während der Bauzeit verdreifacht (z.B. Finnland). Und der Rohstoff ist knapp und wird aus Diktaturen geliefert, in denen sich Oligarchen bereichern, ohne die Ländern zu entwickeln und ohne die eigene Bevölkerung zu schützen.
Zu erwähnen wäre noch, dass Uran zum allergrößten Teil in Gebieten nationaler Minderheiten gewonnen wird, die durch den Abbau stark radioaktiv belastet werden. So z.B. in Namibia, wo 11% des Weltbedarfs an Uran in der Wüste gewonnen wird, in denen traditionell Khoi und San, die Ureinwohner des südlichen Afrikas, leben.
Dabei hat Namibia Ressourcen wie kaum ein anderes Land. Wind an der Küste und Sonne im Überfluss, um die 650 MW Spitzenlast (2019), davon 332 MW aus Wasserkraft, bereitzustellen. Den Rest könnten 100 große 5-MW-Windanlagen liefern, ergänzt durch Insellösungen für Solarenergie. Das ist lange bekannt, seit 3 Jahren geht das Land auch aktiv voran. Vielleicht bekommen demnächst auch die abgelegenen Dörfer (Solar)-Strom und nicht nur die Gästefarmen und Lodges.
https://namibiafocus.com/namibia-treibt-die-nutzung-erneuerbarer-energien-voran/